Kategorien: News

Sonderweg in der Pandemie: Schweden räumt Versagen ein

“Die Strategie zum Schutz der Älteren ist gescheitert”, so das niederschmetternde Urteil der schwedischen Corona-Kommission, die im Juni gegründet wurde.

Die schwedische Regierung hatte sich seit Beginn der Pandemie gegen harte Maßnahmen entschieden. Stattdessen wollte die Regierung vor allem Alte und Kranke schützen. Dabei setzte die Politik hauptsächlich auf Eigenverantwortung der Bürger anstelle von Vorschriften.

Die nationale Corona-Kommission stellte nun fest, dass dieser Weg gescheitert sei. Sie sieht ein Versagen der amtierenden Regierung beim Management der Altenpflege. Auch die Vorgängerregierungen trügen eine Mitschuld. Die Angestellten im Pflegebereich seien alleingelassen worden mit der Krise, heißt es. Strukturelle Probleme kamen zusammen mit einem Mangel an Schutzausrüstung. Auch habe man viel zu spät mit umfangreichen Test begonnen, urteilt die Kommission. „Der Pflegebereich war unvorbereitet und schlecht ausgerüstet, um eine Pandemie zu bewältigen“, schreibt die Kommission in dem rund 300-seitigen Bericht.

Schweden zählte am Dienstag insgesamt 7667 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die meisten Corona-Opfer waren 70 Jahre und älter. Das Land hat rund 10 Millionen Einwohner. Ein Vergleich mit Deutschland ist schwierig, da Kultur, Lebensstandard und Bevölkerungsdichte sehr unterschiedlich sind. Allerdings weist Schweden auch im Vergleich zu den skandinavischen Nachbarn traurige Werte auf. Nach einer Statistik der Johns Hokpins University registrierte Schweden bis zum 11. Dezember 748 Corona-Opfer pro eine Millionen Einwohner. In Norwegen, Finnland und Island sind es weniger als 90. Deutschland lag bis dahin bei 267 Corona-Opfern pro eine Million Einwohner.

In Schweden gibt es keine Maskenpflicht und keine Ausgangssperren oder Reisebeschränkungen, stattdessen jedoch umfangreiche Handlungsempfehlungen. Hotels, Berghütten, Skigebiete und Restaurants sind unter Auflagen geöffnet. Viele Freizeitparks und Museen haben allerdings geschlossen oder eingeschränkte Öffnungszeiten und Zugangsbeschränkungen.

Die schwedische Sozial- und Gesundheitsministerin Lena Hallengren ließ nun erkennen, dass die Maßnahmen bald strikter werden könnten. „Das bisherige Regelwerk ist nicht akzeptabel“, sagte Hallengren in einer ersten Reaktion auf das niederschmetternde Urteil der Corona-Kommission.

In Schweden hat die zweite Welle zu einem sprunghaften Anstieg an Neuinfektionen geführt. Im November verzeichnete Schweden mit 8.088 Toten eine Übersterblichkeit von 10% gegenüber den vergangenen fünf Jahren. So viele Todesfälle zählte das Land zuletzt während der Spanischen Grippe. Als Reaktion auf die steigenden Neuinfektionen führte die Regierung Mitte November etwas schärfere Einschränkungen ein. Seither sind Treffen in der Öffentlichkeit und der Verkauf von Alkohol beschränkt.

Social
Author
Sara Breitner