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Viel Kritik und viele Tote: Schwedens Sonderweg ohne Shutdown

Die Schweden werden für ihre laxe Umgangsweise mit dem Coronavirus scharf kritisiert. Aktuelle Zahlen geben den Kritikern recht und sind doch mit Vorsicht zu interpretieren.

Schweden setzt im Kampf gegen Corona auf die Vernunft der Bevölkerung. Die gesetzlichen Bestimmungen, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, sind noch immer mild. Kritisch neugierig beobachtet die ganze Welt daher, wie sich die Fallzahlen in dem nordeuropäischen Land entwickeln.

Die Zahl der neu erfassten Infektionen pro Tag ist in Schweden von Anfang März bis Anfang April in die Höhe geschnellt. Am 8. und 9. April erreichte der Trend mit 700 neuen Fällen seinen Höhepunkt. Inzwischen verzeichnet das Land jedoch wieder einen Abwärtstrend. Auch die Todeszahlen, die erfahrungsgemäß zwei bis drei Wochen hinterherhinken, erreichten in den vergangenen Tagen Rekordwerte. Am 15. April starben 170 Menschen infolge einer Covid-19-Erkrankung. Am Samstag summierten sich die Todesfälle auf insgesamt 1.511. Zum Vergleich: In Deutschland lagen sie zum selben Zeitpunkt bei 4.426. Allerdings wohnen in Deutschland rund 83 Millionen Menschen auf einer Fläche von ca. 360.000 km². In Schweden leben etwa 10 Millionen Menschen auf einer Fläche von rund 450.000 km².

Hotspot für die Covid-19-Fälle ist die Großregion Stockholm. Dort leben rund ¼ der 10,2 Millionen Schweden, gleichzeitig wurden dort 60 Prozent aller Todesfälle gemeldet. Betrachtet man diese Zahlen, schneidet Schwedens Sonderweg im Vergleich zu Deutschland oder den Nachbarländern Finnland und Norwegen schlecht ab. Im Vergleich zu Frankreich, Großbritannien, Spanien oder Italien sind die schwedischen Zahlen jedoch im grünen Bereich.

Schwedische Politiker verteidigen ihren Kurs weiterhin. Sie berufen sich darauf, dass ihre milden Maßnahmen dauerhaft haltbar seien, ohne die Menschen sozial und wirtschaftlich zu überfordern, während Länder mit härteren Maßnahmen, um ihren wirtschaftlichen Fortbestand und den Rückhalt aus der Bevölkerung fürchten müssen.

Es ist schwierig abzuwägen, ob die Schweden mit ihrem Weg nachhaltiger sind. Zahlreiche Faktoren beeinflussen Wirkung und Konsequenzen der Maßnahmen. Zum Beispiel wohnen mehr als die Hälfte der Schweden in Single-Haushalten und die Bevölkerungdichte ist viel geringer als in den meisten europäischen Ländern. Neuste Forschungsergebnisse legen außerdem nahe, dass das Klima bei der Ausbreitung der Coronaviren eine erhebliche Rolle spielen könnte.

Die Schwedische Medizinerin Claudia Hanson lässt ihre Tochter eigenverantwortlich zuhause, weil ihr Mann zur Corona-Risikogruppe gehört. In einem SPIEGEL-Interview berichtet die Forscherin, dass ein Drittel der anderen Eltern im Klassenzug ihres Kindes es genauso tun. Anders als in Deutschland, ziehe der Schwedische Staat solche Fälle jedoch gar nicht in Betracht und lasse die Familien mit den Konsequenzen alleine.

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Martin Beier