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Intensivmediziner fordern sofortigen Lockdown

Im Saarland lag die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt bei 61. Kein anderes Bundesland kann dies vorweisen. Ministerpräsident Hans will nach Ostern mit Lockerungen beginnen, doch befürchten Intensivmediziner das Schlimmste. Die Katastrophe auf den Intensivstationen könne nur ein bundesweiter strenger Lockdown verhindern.

Die deutschen Intensivmediziner fordern angesichts der dramatisch steigenden Infektionszahlen auf die Lockdown-Lockerungen nach Ostern zu verzichten. „Die Beschlüsse für Modellprojekte nach Ostern sind völlig unpassend und müssen von Bund und Ländern sofort zurückgenommen werden”, sagte Christian Karagiannidis, wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters gegenüber der “Rheinischen Post”.

Benötigt werde derzeit eine Mischung aus hartem Lockdown, vielen Impfungen und Tests. Das Überlaufen der Intensivstationen lasse sich nur noch so verhindern, mahnte Karagainnidis. Derzeit stehe Deutschland vor einem massiven Anstieg bei den Intensivpatienten. „Wenn jetzt keine Maßnahmen für einen bundesweiten harten Lockdown von zwei Wochen ergriffen werden, müssen wir bald wieder mit einer historischen Spitzenbelastung der Intensivstationen mit Covid-19 rechnen”, sagte Karagiannidis und bat “die Politik, das Krankenhauspersonal nicht im Stich zu lassen.”

Ab dem 6. April will die saarländische Regierung per Rechtsverordnung Corona-Restriktionen für Sport, Kultur und Gastronomie lockern. Auch private Treffen sollen einfacher werden. So sollen Besuche von Theatern, Kinos, Konzerthäusern und Fitnessstudios mit einem negativen Corona-Test wieder ermöglicht werden. Erweist sich dieses Vorgehen als erfolgreich, so folgen ab 18. April weitere Öffnungen.

Kritisiert wird dieser Kurs auch von anderen Medizinern und Virologen. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: „Es ist ganz klar, dass wir im exponentiellen Wachstum sind und innerhalb von kurzer Zeit Tageszahlen von 30.000, 40.000, 50.000 Infizierten erreichen können.” Andere Länder verschärfen daher die Maßnahmen im Zuge der „Notbremse“ wieder. Laut Daten vom RKI von Freitagmorgen steigen die Neuinfektionen auch im Saarland wieder an und liegen derzeit bei 61,1 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Im Bundesvergleich sind es 119,1.

Kritik am Alleingang für Lockerungen im Saarland kommt auch vom Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein. Bernd Buchholz sagte gegenüber der „Bild“, dies sei „sehr irritierend und nicht glaubwürdig”. Und weiter: “Es gibt eine große Diskrepanz zwischen dem, was er beim Corona-Gipfel gesagt hat und was er nun tut”, sagte er über den saarländischen Regierungschef.

Hans will rechtzeitig notbremsen

Das Vorgehen selbst verteidigt Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans. Er wolle das Öffnungsmodell erproben, dass „alle gemeinsam beschlossen“ hätten beim letzten Corona-Gipfel. „Wir sind ein kleines Land, unsere Testinfrastruktur ist gut aufgestellt, und aktuell das Infektionsgeschehen moderat – also gute Voraussetzungen um dies saarlandweit zu tun”, sagte der CDU-Politiker der “Bild”-Zeitung. Kontaktbeschränkungen seien zwar “nach wie vor wichtig”, “aber nicht der alleinige Königsweg”.

Es „muss uns jetzt mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränken”, forderte Hans nach einem Jahr Pandemie. Das Saarland gehe hier „einen vorsichtigen Weg, schrittweise und mit Bedacht – immer abhängig von der Infektionslage – aber mit einer Perspektive für unsere Bürgerinnen und Bürger”. Seine Regierung werde „rechtzeitig die Notbremse ziehen”, sollte es zu einem exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen kommen.

Weitere Lockerungen befürwortete auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. „Jetzt muss auch der Erschöpfung der Menschen durch kluge Öffnungen Rechnung getragen werden”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Und Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger sagte der “Heilbronner Stimme”: „Es geht um das verständliche Bedürfnis, dass sich alles wieder etwas normalisiert, hier muss die Politik Perspektiven aufzeigen.”

Allerdings mehren sich die Zweifel an der Sicherheit der viel beschworenen Schnelltests. „Antigentests sind bei weitem nicht so sicher, wie man glaubt”, sagte Lauterbach den Funke-Zeitungen. Studien zeigten: “Wenn jemand wirklich asymptomatisch ist, schlägt der Schnelltest in sechs von zehn positiven Fällen an. In vier von zehn Fällen ist der Test negativ.”

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Author
Alexander Grünstedt