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Perfider Angriff des Coronavirus auf das Gehirn

Schon länger beobachten Ärzte bei bei Covid-19-Patienten Symptome, die mit Entzündungen im Gehirn zusammenhängen. Nun hat eine Forschergruppe entschlüsselt, was Sars-CoV-2 anders macht als andere Viren.

Über die Atemorgane verschafft sich das Coronavirus Zugang zum Körper, aber greift dort zahlreiche Organe an. Betroffen ist auch das Gehirn. In der Vergangenheit berichteten viele Betroffene von neurologischen Symptome wie Riechstörungen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Muskelschmerzen oder auch schweren Muskelentzündungen. Vermutet wird auch ein Zusammenhang mit Schlaganfällen.

Eindeutige Beweise liefert nun eine neue Studie. Daraus geht hervor, dass das Virus bei einigen Menschen direkt in die Gehirnzellen eindringt. Bislang liegt die Studie US-amerikanischer und britischer Immunologen und Neurologen nur als ungeprüfte Version vor. Es wurde von den Forschern untersucht, ob das Gehirn von Sars-CoV-2 infiziert werden kann und welche Folgen auf das zentrale Nervensystem eine Infektion hat. Mittels Gehirngewebe von verstorbenen Covid-19-Patienten, Tierversuchen und Gehirnzellen, dreidimensionalen Strukturen die das Gehirn nachahmten, kamen sie zu ihren Ergebnissen.

Auch von anderen Viren, wie dem Zika-Virus, ist bekannt, dass sie das Gehirn angreifen. Anders verhält es sich aber mit dem Sars-CoV-2-Virus. Hier sprechen die Forscher von einer „stillen Infektion“. Das Virus nutzt die Gehirnzellen dabei zur Vermehrung, zerstört diese aber nicht. Folglich bleibt eine Immunantwort des Organismus aus. In der Nähe der infizierten Zelle scheint das Virus den gesamten Sauerstoff aufzusaugen und lässt damit benachbarte Zellen „verhungern“.

Auf Schleichwegen ins Gehirn

Die Wege des Virus ins Gehirn sind allerdings noch unklar. Eher selten sind Infektionen des Gehirns, da dieses durch die Blut-Hirn-Schranke extra geschützt ist. Nervenzellen können nämlich nicht nachgebildet werden. “Wenn das Gehirn infiziert wird, kann das tödliche Folgen haben”, sagt Akiko Iwasaki, Immunologin an der Yale University, die die Studie leitete. Aufgrund eines genetischen Hintergrunds sind offenbar einige Menschen anfällig für die Infektion des Gehirns mit dem Virus. Vermutet wurde schon länger, dass über die Schleimhäute der oberen Atemwege der Riechnerv befallen wird und damit das Gehirn erreicht. Aber auch das Eindringen über die Augen oder den Blutkreislauf scheint möglich.

Alysson Muotri, Neurowissenschaftler an der University of California in San Diego, der auch schon zum Zika-Virus geforscht hat, stellt die Vermutung auf, dass das Coronavirus die Anzahl der Synapsen, die Verbindungen zwischen Neuronen, reduziert. Bereits wenige Tage nach einer Infektion wird dieser Effekt sichtbar, so Muotri. Die Forscher gehen davon aus, dass es einmal mehr der ACE2-Rezeptor ist, der als Eintrittspforte in den Körper dient. Auch wenn es nur wenig ACE2 im Gehirn gebe, nachweislich dient es dem Virus als Eindringort in andere Organe.

Im Umkehrschluss konnten die Wissenschaftler zeigen, dass eine neuronale Infektion verhindert werden kann, wenn das ACE2 mit Antikörpern blockiert wird oder durch die Verabreichung einer Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit. Eine Virusinfektion im Gehirn kann nach Schlussfolgerung der Wissenschaftler tödlicher sein als eine Infektion der Atemwege. Innerhalb von sechs Tagen starben die Mäuse an einer Infektion des Gehirns, bei einer Lungeninfektion war dies nicht der Fall.

Immer wieder hatten Ärzte davon berichtet, das Bewusstseinsstörungen, Delirien oder Schlaganfälle bei schweren Krankheitsverläufen gehäuft auftraten. Inzwischen gelten sie als ein Indikator für eine schlechtere Prognose der Covid-19-Patienten.

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Author
Stephan Heiermann